Daniela Ehrenreich, Senior Expert Concrete & Concrete Technology, R&D, bei Doka, geht in diesem Artikel auf die unterschiedlichen Ansätze zur Minderung des CO₂ im Betonbau, mit besonderem Augenmerk auf den Einsatz angepasster und veränderter Zemente, Zementmengen und damit angepasster und veränderter Betonrezepturen und den daraus resultierenden Auswirkungen auf den Schalungsbau ein.

Generell spricht man von drei verschiedenen Ansätzen, um den CO₂-Ausstoß zu vermindern und so die internationalen Ziele zur Reduktion der CO₂-Emissionen zu erreichen. Diese Ansätze werden danach unterteilt, ob sie im Herstellprozess von Portlandzementklinker, in der Zusammensetzung der Zemente oder in der Betontechnologie ansetzen.

Der erste Ansatz, CO₂-Emissionen im Herstellungsprozess zu reduzieren, wird schon einige Zeit mittels dem Einsatz alternativer Brennstoffe oder auch der Steigerung der Energieeffizienz verfolgt und ist schon sehr weit entwickelt. Nach dem derzeitigen Stand der Technik bietet sich hier nur noch ein begrenztes Einsparungspotenzial. Ideen, die hier weiterverfolgt werden, sind zum Beispiel neue Technologien zum Abscheiden von CO₂ oder auch die CO₂-Lagerung, die allgemein vielversprechend, aber auch kostenintensiv und technisch noch nicht ausreichend erprobt sind.

Der betontechnologische Ansatz bietet verschiedene Möglichkeiten. Zum einen wird hier das Ziel verfolgt, den Materialbedarf auf Bauwerksebene durch den Einsatz von Hochleistungsbetonen mit einem sehr dichten Betongefüge zu verringern. Diese Hochleistungsbetone sind in ihrer Herstellung aber sehr anspruchsvoll, so dass z.B. nicht jedes Betonwerk über die geforderten Rahmenbedingungen und technischen Möglichkeiten verfügt. Dieser Faktor macht unter anderem diese Hochleistungsbetone teuer.

Eine weitere Möglichkeit ist die Senkung des Zementgehalts im Beton – der Verwendung sogenannter Öko-Betone. Diese Senkung des Zementgehalts bis hin zur Grenze des Mindestzementgehalts war und ist bereits gängige Praxis der letzten Jahre – auch wenn der Antrieb dahinter bis jetzt ein anderer war. Eine weitere Reduktion des Zementgehaltes ist derzeit aber normativ nicht möglich. Allerdings wird daran gearbeitet, die Voraussetzungen in der Normung zu schaffen. So wird voraussichtlich Ende 2022 bzw. Anfang 2023 in Österreich die neue Regelung ONR 23339 veröffentlicht, deren Inhalt eine Möglichkeit bietet vom Mindestbindemittelgehalt und dem höchstzulässigen Wasserbindemittelwert abzuweichen, das bedeutet zum Beispiel, dass auch geringere Mindestbindemittelgehalte mittels Nachweis möglich sind. Die nationale Normung in Österreich ist hier nur ein Beispiel. Ich bin mir sicher, dass auch andere Länder an Regelungen dieser Art arbeiten.

Der dritte Ansatz im betontechnologischen Bereich, ist die Verwendung neuer bzw. neuartiger Bindemittel ohne Zementklinker. Dieser Ansatz wird diskutiert, wobei Lösungen, die eine ausreichend technische Qualität bieten, noch nicht in Sicht sind. Kurz- und mittelfristig werden diese Bindemittel nur bei Spezialanwendungen eingesetzt.

Die Branche geht davon aus, dass Portlandzementklinker auch in absehbarer Zeit ein wesentlicher Bestandteil bei der Zementherstellung bleiben wird. Aus diesem Grund wird eine Steigerung der Klinkereffizienz bei gleichzeitiger Beachtung der Verfügbarkeit der Ressourcen der Ansatz zur Minderung der CO₂-Emission sein, der den meisten Erfolg verspricht und damit weiterverfolgt wird.

Was bedeuten diese Entwicklungen für die Betonbauweise – sowohl im Fertigteilwerk als auch im Ortbetonbau?

Die gängige Praxis, Betonmischungen bis an die Grenze des Mindestzementgehaltes zu treiben, wird sicherlich noch ausgereizt und wie der Ansatz oben zeigt, in naher Zukunft in Österreich auch durch die normative Regelung weiter vorangetrieben.

Zudem kommen nun verstärkt neue Zementsorten zum Einsatz – speziell CEM II/C und CEM VI-Zemente. Diese Zemente zeichnen sich durch einen reduzierten Klinkergehalt aus. Dabei darf der Klinkergehalt bei CEM II/C-M Zementen auf bis zu 50 M.-%, bei Kompositzementen CEM VI auf bis zu 35 M.-% reduziert werden. Normativ wurden die Zemente CEM II/C-M und CEM VI in Europa in eine neue, nicht harmonisierte europäische Zementnorm EN 197-5 überführt und erhalten damit ein Ü-Zeichen. Dies bedeutet, dass diese Zemente eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des DIBt in Deutschland benötigen, damit sie in Deutschland verwendet werden dürfen. Die Firma Dyckerhoff ist der erste deutsche Zementhersteller, der für CEM II/C-M (S-LL) eine bauaufsichtliche Zulassung erhalten hat – und ich bin mir sicher, dass andere folgen werden. Und auch andere Länder werden ähnliche Verfahren fordern.

Anbei ein Überblick über die Zusammensetzung der einzelnen Zemente:

Abbildung 1: Auszug aus der EN 197-1: 2011-11.
Abbildung 2: Auszug aus dem Newsletter Heidelberg Cement, September 2021, Autorin Dagmar Küchlin.

Die oben genannten Informationen gelten natürlich in erster Linie für die Länder, die europäische Normen anwenden. Darüber, wie es in Ländern außerhalb der europäischen Normung abläuft, habe ich derzeit leider keine Informationen, freue mich aber, wenn ich hier Informationen von euch erhalte! Allerdings wird sich auch weltweit etwas bei der Zusammensetzung des Zements und damit bei den Betonmischungen ändern, da die Ziele CO₂-Emissonen zu reduzieren, international sind.

Diese CEM II/C-M Zemente können sowohl für Innen- als auch Außenbauteile des üblichen Hochbaus angewendet werden und sind so bei mindestens 65% des Ortbetonbaus in Deutschland einsetzbar. Somit haben diese Zemente sehr großes Potential, in weiten Teilen des Betonbaus in Deutschland – aber auch europa- bzw. weltweit eingesetzt zu werden.
Das Hauptanwendungsgebiet des neu zugelassenen CEM II/C-M (S-LL) 42,5 N von Dyckerhoff wird im Transportbeton bis zu einer Druckfestigkeitsklasse C30/37 gesehen.

Mit der Forderung, CO₂-Emissionen zu reduzieren und den Zahlen zur Anwendung des CEM II/C-M, die zwar nur für Deutschland stehen, die aber sicherlich auch auf andere Länder ausgeweitet werden können, im Hinterkopf, wird ersichtlich, dass manche Zementsorten wie z.B. CEM I, der den höchsten Anteil an Portlandzementklinker enthält und damit die höchste CO₂-Emission aufweist, zukünftig nur noch in Fertigteilwerken bei Anforderungen an schnelle Ausschalzeiten und bei Spezialprojekten im Ortbeton zum Einsatz kommen wird. Hohe Kosten und die Anforderung CO₂ zu reduzieren, werden die Zahl der Einsatzfälle deutlich reduzieren. Kompositzemente wie CEM II/A und CEM II/B und hier besonders die neuen Zemente CEM II/C-M und CEM VI werden aus oben genannten Gründen und deren technischen Eigenschaften verstärkt im Ortbeton zum Einsatz kommen.

Was bedeutet eine Reduktion der Zementmenge bzw. der Wechsel der Zementarten für den Schalungsbau und damit für uns und unsere Kunden?

Die bisher verwendeten Zemente können nicht einfach durch die neuen Zemente ersetzt werden, da sonst z.B. die erforderlichen Druckfestigkeiten nicht erreicht werden. Aus diesem Grund müssen die Rezepturen angepasst werden, z.B. mittels Reduktion des w/z- bzw. w/b-Wertes und der vermehrten Nutzung von Fließmitteln, um sowohl die technischen Anforderungen als auch die Praxisanwendung (Verarbeitbarkeit) sicherstellen zu können.
Dies muss den Transportbetonwerken, aber auch den Anwendern bewusst sein.

Die Hydratation, also die Reaktion des Betons wird bei Verwendung der neuen Zemente mit verringertem Klinkeranteil verlangsamt ablaufen. So ist auch die Erstarrung und Erhärtung des Betons verzögert und die Betondruck- und Betonzugfestigkeit entwickeln sich langsamer und später.

Dies kann zu einem länger anhaltendem Frischbetondruck auf die Schalung führen, da der Frischbetondruck aufgrund des verzögerten Erstarrens nicht so schnell wie gewohnt, abnimmt. Die Folge kann ein Öffnen der Elementstöße sein, aber auch verstärkte Durchbiegungen der Schalung – sollte der Frischbetondruck aufgrund eines anders angenommenen Erstarrungsverhaltens und damit einer nicht angepassten Betonierhöhe und –geschwindigkeit tatsächlich höher sein – oder auch ein Versagen der Verbindungsteile, sollte das System überlastet werden.

Diese langsamere Festigkeitsentwicklung führt in weiterer Folge zu geänderten Ausschalzeiten – der Beton muss länger in Schalung bleiben – und damit zu einem veränderten Betonier- und Ausschalrhythmus.

Auch bei diesen Betonmischungen gilt, dass kalte bzw. kühle Umgebungstemperaturen bzw. auch kühle Frischbetontemperaturen zu einer weiteren Verzögerung der Hydratation des Betons und damit zu einer verzögerten (Früh-)Festigkeitsentwicklung des Betons führen. Dies bitte mit Blick auf den bevorstehenden Herbst und Winter berücksichtigen. Eine Frischbetontemperatur von mindestens +15°C kann hier entgegenwirken.

Besonders dann, wenn bestimmte Betondruck- und Betonzugfestigkeiten erforderlich sind, z.B. beim Aufhängen von Bühnen oder auch beim Klettern, ist ein besonderes Augenmerk auf die tatsächlich vorliegenden Druckfestigkeitswerte zu legen, um sicherzustellen, dass diese Werte bereits erreicht sind. Ansonsten kann es zum Versagen der Einbauteile und damit zu Unfällen kommen.

Auch im Sichtbetonbereich ist es wichtig, die Betondruck- und Betonzugfestigkeit zu wissen bzw. einzuhalten, um z.B. Betonabriss oder auch Kantenabbrüche zu vermeiden.

Dass sich die Festigkeitsentwicklung der Betone gerade verändert, sich verlangsamt und sich dadurch auch der Zeitpunkt, wann die erforderliche Festigkeit erreicht wird, nach hinten schiebt, ist noch nicht in unser aller Bewusstsein verankert. Das sollte es aber, denn: Eine Betonage am Nachmittag und Ausschalen am nächsten Morgen ist – je nach Witterungs- und Umgebungsbedingungen – unter Umständen nicht mehr ohne Probleme möglich.

Gespräche des Kunden mit dem eigenen Betontechnologen bzw. dem Betontechnologen der Transportbetonfirma können hier Klarheit bringen. Auch die Verwendung von Systemen wie Concremote helfen, den Zeitpunkt, an dem die geforderten Betondruck- und Betonzugfestigkeiten erreicht werden, zu bestimmen und zu dokumentieren.

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